Auf Sky Sport wurde im Rahmen der Serie „Jetzt spreche ich“ ein exklusives Interview mit Daniele De Rossi ausgestrahlt. Hier seine Worte:
Zur aktuellen Roma…
Was uns in den letzten Jahren fehlte war die Kontinuität, da haben wir irgendwann abgeschaltet. Bei Roma -Bologna im vergangenen Jahr war es das Gleiche, die erste Halbzeit dominiert, 2-0 vorne mit mehreren Chancen zum 3. oder 4. Tor und dann haben wir das Spiel doch noch verloren. Neulich haben wir das Ergebnis perfekt gemanagt, bis zur letzten Minute. Es war ein sorgfältiges Management, das Team wollte unter keinen Umständen ein Gegentor fangen und es ist uns gelungen. Die Rettung bei der Torchance von Ederson im Derby? Das war wichtig, für alles, für die Moral, nach dem 26. Mai wäre das ein harter Schlag gewesen, noch mehr nach einem Derby, das bereits gewonnen schien. Ich bin froh, dass ich dieses Tor verhindert habe, sicherlich war das Italienpokal-Finale nicht das letzte Kapitel von mir bei der Roma. Jetzt bin ich gelassener.
Zur Arbeit von Garcia…
Die vergangenen Jahre waren verheerend und viele der alten hatten Sehnsucht nach Erlösung. Wir mussten von vorn anfangen, einiges ändern, und dies hat Garcia in der Verwaltung der Gruppe unterstützt. Er ist immer fair mit uns, er ist nie irgendwie künstlich oder übertrieben, er ist sehr einfach. Der Fussball, wie alle anderen Dinge, ist eine einfache Sache, man muss nichts erfinden. Wie ich ihn überzeugt habe nach dem Derby mit uns zur Curva Sud zu laufen? Er ist sehr beteiligt, zu einem grossen Prozentsatz ist das alles sein Verdienst. Ich habe es ihm vorgeschlagen, er war nicht überzeugt, aber alle wollten ihn sehen, wie er sich mit uns zusammen freut, wir haben uns aber beim Feiern sehr zurückgehalten. Das war richtig so, auch wegen des 26. Mai. Niemand hat sich unter der Kurve nach dem Spiel entschuldigt und wir haben mit ihm zurückhaltend gefeiert, er war der Architekt des Sieges.
Zum Verhältnis zu Garcia…
Zum ersten Mal habe ich mit Garcia am Telefon gesprochen, ich war noch im Urlaub, um die letzten Tagen vor der Rückkehr zum Training mit ihm abzustimmen. Schon damals habe ich ihn als sehr hilfsbereit erlebt, ich glaubte und spürte, dass er mich als seinen Spieler ansieht, während die ganze Welt das Gegenteil sagte, was aber nicht wahr war. Doch alle Zeitungen und Websites haben in jenen Tagen gemeldet, dass ich gehen würde, dass ich mich in einigen exotischen Städte aufhalte, um irgendwo irgendeinen Vertrag zu unterzeichnen, während er mich immer als einen seiner Spieler behandelt hat, ein Spieler der, wie es dann auch geschehen ist, bei ihm bleiben würde. Also, zusätzlich zu seiner grossen Hilfsbereitschaft, gefiel mir sofort sein Gefühl der Zugehörigkeit. Er gab mir den Eindruck sofort über die Arbeit sprechen zu wollen und über die Aussicht eine große Saison zusammen machen zu können.
Über den möglichen Wechsel…
In diesem Sommer wurde viel über meine Zukunft gesprochen. Zum ersten Mal habe ich mit der Vereinsführung gesprochen und gesagt ich wolle Angebote von anderen Vereinen zumindest anhören, im Gegensatz zu früheren Jahren, als ich von vorn herein alles abgelehnt habe, ohne auch nur ein Angebot anzuhören. Ich fühlte, dass es die richtige Zeit für einen Wechsel sein könnte. Die Dinge liefen nicht gut, ich war nicht glücklich immer in der Kritik zu stehen, es war eine große Belastung alles unter einen Hut zu bringen. Es gab so viele Dinge, die nicht gut gingen, aber das Schlimmste war, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass das Pokal-Derby mein letztes Spiel für die Roma sein sollte, es war etwas, dass ich nicht akzeptieren konnte. Ich konnte mir jede Mannschaft der Welt vorstellen, jede mögliche Trophäe in den Himmel zu halten, aber zu denken, das letzte Spiel für die AS Roma in einem verlorenen Derby im Finale gemacht zu haben, wäre das schlechteste Ende einer großen Liebesgeschichte gewesen.
Das Umfeld in Rom…
Niemand würde verstehen, ein Fremder müsste hier 10-12 Jahre spielen um zu verstehen, was wir hier haben. Ich habe nie Kompromisse gemacht, ich habe nie Beziehungen zu bestimmten Arten von Presse unterhalten, ich habe nie Barrieren erstellt. Als ich im Sommer von „Verleumdungen“ sprach habe ich die richtigen Worte benutzt, aber es soll nicht die Idee durchkommen, dass ich mich in Rom nicht wohl fühle. Wenn ich durch die Straßen gehe, finde ich nie Menschen, die mir feindlich gesinnt sind, oder werde angegriffen, ich wurde immer von allen respektiert.
Zu Zeman, der ihnen vorgeworfen hat, eher an sich als an die Mannschaft zu denken…
Es war kein schöner Moment in meiner Karriere, ich habe zwar nicht gerne aber auf professionelle Art die Reservebank akzeptiert, erst dann zu Hause habe ich gehört, was er in der Pressekonferenz gesagt hatte. Von den vielen Dingen, die ich mir wegen der letzten Saison vorwerfe, gehört meine menschliche Seite nicht dazu: Ich habe auf jene Worte nicht reagiert und bin als ob nichts gewesen wäre wieder ins Training eingestiegen. Ich bin Fussballer und muss meine Arbeit machen: Wenn man 12 Jahre lang in der selben Firma arbeitet kann es schon mal vorkommen, dass es einen Vorgesetzten gibt, mit dem man nicht alle Meinungen teilt. Ich habe ihn weiterhin respektiert, das wäre noch schöner. Jetzt wieder darüber zu sprechen, wäre wie Rache zu suchen ohne rachsüchtig zu sein.
Die Nationalmannschaft…
Wenn die Nationalmannschaft nicht gewesen wäre, wäre es ein verdammt langer, schwerer, unendlicher Sommer gewesen. Ein Albtraum. Es war alles sehr schwer, schwere Saisonen hatte ich schon erlebt aber das war nichts im Vergleich zur letzten. Die Niederlage im Finale hat alles vergrössert, die Nationalmannschaft hat mich gerettet. Nach einer Woche habe ich mir die Fussballschuhe angezogen aber es wurde mir fast schlecht. Die Mitspieler und der Teamchef haben mir geholfen. In Italien gibt es starke Spieler und es wird sie immer geben, dass es nach 2010 einen so schnellen und tollen Austausch geben würde hatten wir uns aber nicht erwartet. Dabei hat uns der Ethikkodex und die Rückkehr zu einer bestimmten Art von Fussball geholfen. Die Ergebnisse sagen uns, dass wir mit den besten mithalten können, wir haben immer auf ihrem Niveau gespielt. Das macht uns stolz und gibt uns Hoffnung für die Zukunft. Wir können gegen alle bestehen, wir sind nicht die Favoriten aber wir sind dabei. Man kennt die stärksten, aber ich sehe keinen Abstand zwischen ihnen und uns.
Ein Kommentar zum italienischen Fussball…
Wenn ich ein Urteil über die italienische Meisterschaft abgeben müsste, wäre es nicht positiv. Wenn man die Premier, die Bundesliga oder die Liga anschaut, ist das eine ganz andere Show. Die Spielfelder sind immer in perfektem Zustand und das ist ausserordentlich wichtig, hier finden wir häufig Kartoffelacker vor. Die Stadien sind wunderschön, sie sind immer voll mit Zuschauern, die sich zivilisiert verhalten. Wir liegen da weit zurück, wir Spieler können schon helfen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Bei uns herrscht eine sehr südeuropäische Art vor den Fussball zu leben, mit grosser Passion, die die Italiener dazu führt zu übertreiben. Auch wir Spieler tragen das unsere bei, wenn wir auf dem Platz übertreiben, ich nehme mich da nicht heraus. Man kann etwas verbessern, aber es ist eine sehr italienische Art den Fussball zu leben und es wird schwer diese Art auszurotten.
Zum Rassismus im Fussball…
Rassismus ist etwas abscheuliches, aber wie viele von denen, die bei einem Sprechchor mitmachen sind wirklich Rassisten und wie viele machen es, um einen Spieler zu beleidigen oder zu provozieren, aus Ignoranz, vielleicht nur um über etwas zu lachen, worüber es aber nichts zu lachen gibt? Es ist mehr Ignoranz als echter Rassismus. Die Ignoranz wird nie aufhören, so wie der Rassismus, aber in den Stadien denke ich dreht es sich eher um ersteres.
Über die Stadt Rom…
Mir gefällt alles von der Stadt. Mir gefällt auch dieses leichte Chaos, das im Zentrum immer vorherrscht, dieses Chaos, das es hier in Rom gibt. Ich habe zwei Jahre lang in Campo de‘ Fiori gewohnt, dem Platz des grossen Marktes. Dort gibt es viel Romanitá, Menschlichkeit, mit den Menschen dort war ich fast befreundet, es war eine schöne Zeit meines Lebens. Am Abend wird es dort etwas zu chaotisch, aber ich liebe dieses Viertel. Jetzt lebe ich in Ostia, am Meer, dort ist es sehr ruhig. Ob diese tiefe Verbindung zur Stadt ein Hindernis sein kann? Objektiv gesehen ist es das, wie es schon für Francesco war. Es war so für viele Spieler, die sich in den internationalen Fussball hochgespielt haben und beschlossen haben sich an einen Verein zu binden. Es stimmt, wir sind nicht Real oder Barca, aber mit jetzt 30 Jahren gibt es kein Bedauern, ich hätte mehr erreichen können aber ich bin sehr glücklich. Ich sehe Francesco, der sich mit 37 eine wichtige Rolle in der ganzen Stadt kreiert hat, die ihm einen grösseren Stolz verleiht als jegliche andere Trophäe, die er mit einem anderen Verein hätte gewinnen können.
Die Familie…
Ich hoffe sie bleibt geeint, bald werden wir zu viert sein. Ich hoffe, dass mir meine Tochter in der Ehrlichkeit ähneln wird, das ist das Wichtigste. Ich lüge zwar auch hin und wieder, aber im grossen und ganzen bin ich ein ehrlicher Mensch.
Inter?
Es ist unser bis dato stärkster Gegner, aber nicht das schwierigste Spiel. Es ist nicht einfach das Derby zu gewinnen, oder in Livorno oder in Genua gegen Samp. Sowohl wir als auch sie sind stark, es wird ein schönes Spiel, wir haben immer viele Torchancen kreiert, sie werden es uns schwer machen. Ich habe nie mit Mazzarri zusammengearbeitet, ich schätze ihn sehr, er soll auch ein Kandidat für die Roma gewesen sein, er hat immer ausgezeichnete Resultate erzielt. Seine tägliche Arbeit mit Inter kann ich nicht einschätzen, er hat aber eine Mannschaft übernommen, die keine war und hat sie in kürzester Zeit auf ein sehr hohes Niveau gebracht. Sie haben grosse Spieler, wie wir.
Deine Zukunft bei der Roma?
Der Capitan Futuro? Es ist ein Spitzname der mir von Beginn an nicht besonders gefallen hat. Mittlerweile höre ich ihn auch auf der Strasse. Egal, es ist eine Ehre der Vizekapitän der Roma zu sein. Ich habe Totti vor mir, da weiß ich, dass ich etwas weniger sein kann. Auch darüber nachzudenken, dass ich Kapitän werde wenn Totti nicht mehr spielen wird ist nicht besonders angenehm. Für mich, für ihn und vor allem für alle Romanisti. Niemand wird feiern und sagen: „Hurra, De Rossi ist Kapitän geworden.“ Es werden alle eher traurig sein, denn die Geschichte, der stärkste Spieler der Geschichte der Roma wird nicht mehr spielen. Ich habe auch nicht dieses Verlangen. Ich erfahre Anerkennung als wichtiger Spieler, als Freund und als ehrlicher Mensch von meinen Mitspielern, auch wenn ich nicht Kapitän bin. Auch die Fans sehen mich als ein Symbol dieses Vereins und ich brauche keine Kapitänsbinde am Arm um glücklicher zu sein.
Quelle: vocegiallorossa.it